Werte Gemeinde,
die Rüstungsspirale ist weitergedreht, und bewährte Funktionskieferorthopädie weiter zurückgedrängt.
Gegen Rückbisslagen promoten Hersteller feste Gewaltmethoden wie Herbstscharnier und Co., die primär für das bleibende Gebiss gedacht sind.
Das
Marktvolumen der schwierigeren umgekehrten Fehlstellung
Progenie ist aber nur 1/10 so groß, und zudem kommt kieferorthopädische Behandlung, wenn sie erst im bleibenden Gebiss beginnt, gemeinhin zu spät. So sind mir Herbstscharnier-ähnliche Produkte gegen Progenie auch nicht bekannt und wären eher exotisch.
Die
Delaire-Masken-Pest (kürzeres Thema hier) der Fertigteil-Hersteller ist schlimm genug. Aber
ist folgende gruselige Prozedur ein Fortschritt, bei der gar kein neues Spezialprodukt dabei war, sondern gängiges Knochenchirurgie-Material? Das profitiert auch nicht von einem
Freihandelsabkommen mit den USA, denn überflüssige Operationen gedeihen besonders auf deutschen Mist:
einem gerade 11-jährigen Kind (spätes Wechselgebiss) wurde an allen 4 Kieferseiten eine „Miniplatte“ (Lochblech-Streifen, eigentlich zur Bruchfixierung gedacht) über den Zähnen an den Knochen geschraubt, von der ein Haken durch das Fleisch ragte, um daran die Kiefer mit Gummibändern gegeneinander zu spannen, wie sie als simpler Zusatz an Bracket-Spangen oder losen Spangen bekannter sind. Anders als dabei bestanden hier für 1 Jahr (in Anbetracht des Alters zügiger als mit Delaire-Maske) aber kleine offene Wunden! Auch wenn:
keine feste Haltespange Karies züchtete, kein Innenbogen die Zunge und keine Außenspange das Kinn zwiebelte oder den Schlaf störte, und der Patient keine fremdbestimmte Kraft erleiden muss, sondern sich verschieden starke Gummibänder spannen und seine Kiefergelenke ein wenig schonen könnte. Zudem wurde erbliche Progenie in diesem leicht vorbehandelten Spätfall hiermit gänzlich an den Kieferbasen korrigiert, statt – weniger stabil – auch Zähne dafür zurecht zu biegen.
Bloß wachsen nun die Eckzähne vorstehend. Eine integrierte Behandlung hätte diese Enge schon beheben können, z.B. beizeiten eine
RDP (Sander-III), die eine 3-Wege-Schraube (Bertoni) enthält, oder mit tragezeitreduzierten dynamischen Geräten.
Dummerweise würde dieser KFO nun gern noch den Gaumenknochen piercen, um die Seitenzähne Weisheitszahn-fressend zurück zu zwingen.
Nachdem die Patienten 3 Delaire-Masken ausgewichen waren und wohl alle Fach-KFOs jener Stadt diese Unsitte von der gleichen, nahen Uni hatten, hatte die Behandlung etwas spät mit 9 mit einem FR 3 begonnen, der wohl Breite gewann, aber nicht ausgereizt wurde. Es gab kein zweites, größeres Exemplar, und
auch folgender Anleitung (nach Fränkel, alter Lehrfilm der Uni Münster) wurde offenbar nicht gefolgt:
Zuerst soll mit dem Innenbügel die OK-Front überstellt werden. Dadurch kippen die Zähne zwar vor, aber der wachsende Unterkiefer kann den Oberkiefer fortan mitnehmen, was auch andere alte Autoren als wichtig betonten. Anschließend ist der Oberlippenschild vor zu ziehen. Dadurch wächst auch der Oberkieferknochen vor, und die Frontzähne richten sich wieder auf.Diese „unmoderne“ Erfahrungsmedizin wäre aber nicht so profitabel gewesen, wenn man schon mal ein
privat versichertes Kind (Querverweise in dem Thema sind aktualisiert) in die Enge getrieben oder naive Eltern dabei hat.
Ob diese „moderne Alternative zur Delaire-Maske“ für Privatpatienten schon Schule gemacht hat?
Knochenpiercing als Alternative zu Headgear oder Zähneziehen wird schon seit Jahren gepriesen, wobei dort aussichtsreiche Alternativen hartnäckig verschwiegen werden.
Über Kinderversuche mit Knochenchirurgie-Hardware, die man wie einen „Fixateur externe“ (Ausbruch vom 1. Weltkrieg feiert 100-Jähriges!) längerfristig aus dem Fleisch ragen ließ, habe ich mich schon grün und blau geärgert, als ich einen 2003er Artikel dazu fand, von 3 Universitäten weiter südlich. Die Kinder hatten
Nichtanlagen, aber sonst keine nennenswerte Fehlstellung. Ein Familien-Zahnarzt hätte da einfach die Milchzähne stehen gelassen.
Blutige Grüße,
Rübezahl
(nach dem ersten Schreck dann nüchterner betrachtet editiert am 02.02.14)