Werte Gemeinde,
Privatpatienten leben im Medizinbetrieb manchmal gefährlich, nicht nur beim Kieferorthopäden.
Aber ein solcher hatte einem privatversicherten 10-Jährigen gegen verengte Eckzahn-Lücken
ratz-fatz ein Pendulum eingebaut, ohne nennenswerte Erklärungen vorab, und Aufklärung über
Risiken schon gar nicht. Und so nebenher für den Unterkiefer, weil es dafür kein geläufiges Pendulum gibt, einen
Lip-Bumper und dann einen
Lingualbogen.
Hiermit können feste-Spangen-lastige Kieferorthopäden Kinder an ihre Praxis binden, noch BEVOR sie alle Milchzähne verloren haben.
5 bis 6 feste Spangen, sofern noch Teil-Bracketspangen hinzukommen, bleiben dann teils ÜBER JAHRE eingebaut,
verschleißen die Ankerzähne, die wichtigen 6er, an Schmelz und Wurzeln, und vergällen
Grundschülern ihre Kindheit.
Statt in altbewährter Manier mit einem
Paar Platten die (Eckzahn-)Enge mit Schraubsegmenten zu beheben und die Zähne sogleich einzureihen.
Um so eine „feste Kundenbindung“ geordnet mit Behandlungsübernahme zu deinstallieren, bräuchte es dann einen „Helden“, während für einen „kalten“ Behandlungsabbruch jeder Hauszahnarzt, der nicht von Kieferorthopäden abhängt, das Zeug ausbauen kann.
Da Helden in meiner Liste dünn gesät sind und keiner vor deren Haustür war, haben diese Ratsuchenden die Fellabzieher-Praxis weiter gewähren lassen:
13 Monate lang hatte der Junge erst das Pendulum und dann zum Halten des Ergebnisses eine Nance-Platte (kleine Platte an einem Drahtbogen) unter seinem Gaumen eingebaut, und im Unterkiefer siehe oben. Bis die
Nance-Platte nach dem letzten Nachstellen so in den Gaumen drückte, dass Eiter und Fieber auftraten. Natürlich am Wochenende, da haben sie mehrere Notdienste abgeklappert, weil der im Krankenhaus da gar nicht ran wollte. Schließlich hat ein Notdienst-KFO als Nothilfe das Corpus Delicti herausgeschnitten.
Wenn die Entzündung abgeklungen ist, gilt es zu suchen, wer den Rest ausbaut und wie es weiter geht.
Südlich vom Ruhrgebiet häuft sich diese Quälerei durch Stückwerk gerade, die sicher auch anderswo wütet: eine 10-Jährige wurde gerade mit Gaumennahtsprengung, dann Nance, dann loser Spange (?), dann Bracket-Spange und dann Kleberetainer bedroht. Jedoch hat diese Familie, auch wegen hoher Zuzahlungen, schnell die Kurve gekratzt.
Pendulum, Distal-Jet und Co. werden ja oft statt Headgear angepriesen, und sanfte Alternativen nicht genannt, mehr dazu
in diesem quasi historisch gewachsenen Thema (wobei sie zum Glück keine Routine-Kassenleistung geworden sind, sonders das wohl nur unprofitabel unter dem Oberbegriff „intraorale Verankerung“ ginge).
Aber die Entwicklung geht weiter. Verfänglich für
Behandlungsmaximierung sind ja auch
Nichtanlagen von Zähnen, und da wollte gerade ein skrupelloser KFO eine Bracket-Spange
an einer dicken Schraube im Gaumen abstützen, die ein Kieferchirurg einbauen sollte. Ob zum Lücke schließen, oder Lücke erweitern, ist da Wurscht. Solch ein modernes
Knochenpiercing hätte sich dann, anders als die alte Nance-Platte aus den USA, wo man kaum „herausnehmbar“ buchstabieren kann, bei zuviel Druck nicht in die Weichteile gedrückt, sondern ... Knochen-Entzündung kann richtig langwierig und gefährlich werden. Vielleicht auch dann, wenn das festgewachsene ausgediente Ding, anders als kleine Knochenschrauben zwischen den Zähnen, die wieder rausgedreht werden können, üblicherweise
aus dem Gaumen rausgefräst werden muss.
Man kann nicht müde werden zu wiederholen: aktive Platten brauchen solche abartigen Abstützungen gar nicht, weil sie sich selbst stark abstützen. Wenig belastende gesamtzahnärztliche Alternativen für den Fall, dass wirklich ein Schneidezahn fehlt, sind unter dem vorgenannten Link aufgeführt. Nur, dass man die kaum je bei Kieferorthopädie-Spezialisten kriegt.
Rastlose Grüße, Rübezahl