Liebe Aktive,
nach Aufträgen in der Hitze der letzten Woche kommt hier ein Bericht vom bisher größten Urlaub seit Beginn meiner Selbständigkeit vor nunmehr fast 10 Jahren.
Endlich wieder richtige Berge: 9 Tage in den Vysoké Tatry (Hohe Tatra, bzw. Tatren)!
Nachtzug hin (Prag – Poprad), Nachtzug zurück, er rattert auf slowakischen Gleisen lauter als auf tschechischen und deutschen.
Das Kompakt-Hochgebirge Hohe Tatra erstreckt sich über 30 km an der polnisch-slowakischen Grenze. Eine Niedere Tatra liegt südlich davon, und die West-Tatra erreicht Gipfelhöhen dazwischen.
Anders als in den Alpen hat die Hohe Tatra kein dichtes Wegenetz, da (jedenfalls auf der höheren slowakischen Seite) fast alles Naturschutzgebiet ist.
Anders hat sie auch kaum eine Graszone zwischen Latschenkiefer- und Felszone. Wenn dort noch etwas hellgrün ist, sind es Blaubeersträucher. Nur in der Weißen Tatra, die das Gebirge nach Osten abgrenzt und durch die es nur einen erlaubten Weg gibt, ist mehr Humus und Bergwiese, weil sie nämlich aus Kalkstein besteht.
Dieser Durchstieg ist 100% empfehlenswert: von Ždiar über Široké sedlo (Breiter Pass) und Kopské sedlo zur Chata pri zelenom plese, von wo am nächsten Tag der Jah?ací Štít (2229m) machbar ist. An beiden Tagen ließen sich etliche zutrauliche Gämsen ungestört fotografieren.
Diese Hütte, die mittels urtümlicher Jeeps versorgt wird, ist eine Klettersportler-Location, denn sie liegt an einem Kessel von schönen, zugänglichen Wänden aus gutem Fels. Mitten in der höchsten Wand biwakierte in jener Nacht gerade ein Kletter-Duo auf einem etwa tischgroßen Block. Was dort gekocht wurde, weiß ich nicht, aber die Halbpension in der Hütte war abends sportlich leicht, auch vegetarisch kein Problem, und morgens ein lecker Buffet zum Reinhauen.
Andere Hütten fördern den Tatra-Kraftsport samt Meisterschaft, nämlich, Material und Fressalien dort hinauf zu schleppen.
Zur Chata pod Rysmi, der höchsten Hütte am höchsten wegsamen, führerlos erlaubten Gipfel (2499m), dürfen auch Breitensportler mittragen: am Ende der befahrbaren Straße war ein Depot (gerade leer) mit einem Schild, für 5 – 10 kg Hochtragen gäbe es am Ziel einen Kaffee oder Tee gratis. 2 Stunden Aufstieg, verhieß der Wegweiser. Wer sich noch nicht ausgelastet fühlt und noch Platz im Rucksack hat ...
Leider nicht gebacken gekriegt hat es das Bergführerbüro in Smokovec, mich in einem Zeitfenster von 5 Tagen (wovon 2, zugegeben, kein Super-Wetter) für eine Führung auf den Hauptgipfel Gerlachlovský Štít (2655m) mit anderen Kunden zusammen zu koordinieren.
Ersatzweise war ich dann auf dem Westpfosten dieses Gebirges, dem Krivan 2949m. Eine Tour mit weiter Aussicht, die auch ohne Lift und Hütte rege begangen wird.
Erstaunlich viele Insekten waren überall zugange (Schmetterlinge, Schwebfliegen, Grashüpfer, Käfer ...), selbst in den Felsen. Vögel machten sich hingegen rar.
2 pferdegroße Junghirsche liefen nur 10 Minuten oberhalb vom schläfrig-schicken Tatranská Lomnica über die Straße.
Die Gegend hatte einst regen Sanatorium-Betrieb. Jetzt sind etliche Pensionen und Hotels, auch für den Kurbetrieb, in verschiedenen Stadien der Renovierung.
Der Anschluss an Europa läuft auf vollen Touren. Konzerne wie Veolia und Nestlé haben sich schon Dortiges unter den Nagel gerissen, und internationale Immobilienhändler sind auch aktiv.
Immerhin hat der Fertigfraß zum Glück noch nicht die Restaurants erobert. Alles noch lecker hausgemacht. Ohne Fleisch gibt es z.B. Kartoffelpuffer, panierte Käsesorten, panierten Blumenkohl, Langos, gekochte Maiskolben und Salatbuffet.
Noch gibt es günstige Angebote, besonders für Familien.
Während es umgekehrt für spätbuchende Einzelreisende (erst Mitte Mai habe ich zu planen angefangen) nicht leicht war, an einem gut gelegenen Ort zur Hochsaison ein preisgünstiges Zimmer zu ergattern. Nach vergeblichen Mühen auf anderen Plattformen führte schließlich http://www.unterkunftsguru.at im 3. Versuch zum Erfolg. Ungarisch und Slowakisch eignen sich offenbar zur automatischen Übersetzung. Slowakisch hat auch nicht so eine irre Fülle von Formen wie Tschechisch oder Polnisch, bzw. hat sich stärker vereinfacht.
Last not least, was in der Tatra noch schön war, wenn auch nicht perfekt:
die Bracket-Belastung war zwar nicht 0, aber noch gering zu nennen.
9 1/2 Sichtungen in diesen 9 Tagen. Alle einzeln, und keine an kleinen Kindern – obwohl manche Stellen von Kindern wimmelten.
Überwiegend waren die festen Spangen an jungen Frauen. 3 1/2 Sichtungen entfielen auf den letzten Tag, eigentlich Reservetag für das nicht stattgefundene Hauptgipfel-Ziel. Als 1/2 zähle ich dabei die zahnfarbenen Brackets einer erwachsenen, nicht-europäischen Touristin, in denen gar kein Draht drin war. Sie sahen auf den Zähnen aus wie Tropfstein-Formationen der gerade besichtigten Höhle, oder wie beim versteinerten Krokodil, das dort in einer Wand stak. Dann 1 im Bahnsteig-Gedränge im feinen Tatranská Lomnica, 1 in der Tatra-Bahn hinab nach Poprad und 1 in einem Volksfest, das ich dort vor meiner Heimfahrt noch antraf.
Ziemlich entspannend, wenn ich an bracketverseuchte Quartiere, Hütten, Schiffe, Seilbahnen und andere öffentliche Verkehrsmittel denke, die mich auf früheren Urlauben in der Schweiz (stellenweise) und 2002 in Island nervten (samt Fähre: Brackets waren das rostfreieste auf diesem Pott). Nicht zu vergessen bracketverseuchte Reiseveranstalter auch hierzulande, z.B. manche Exemplare von Jugendherbergs-Zeitschriften (war mal DJH-Mitglied, in Vor-Internet-Zeiten war das nützlich).
Also: hin, bevor die Preise anziehen!
Sonnige Grüße,
Rübezahl