2017, eine Wohn-Odyssee: als Kleinunternehmer gentrifiziert

Bei Anfragen wären folgende Angaben zur Person hilfreich:
A) Patient (Alter?)/ Eltern/ Lehrkräfte/ Zahnarzt / Zahntechniker/ Therapeuten o.ä.
B) Schon in Behandlung / Erst- bzw. Zweit-Behandlung suchend / unbetroffen interessiert o.ä.
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2017, eine Wohn-Odyssee: als Kleinunternehmer gentrifiziert

Beitrag#1von ruebezahl » 17. Dez 2017 16:09

Liebe Nutzer,
ein turbulentes Jahr liegt hinter mir.
Als Kleinunternehmerin bin ich zwar meine eigene Chefin. Ich muss nicht zuviel von den globalen Ressourcen verbraten und kann nicht explizit meinen Job verlieren. Allenfalls Einnahmequellen können versiegen, sodass man neue erschließen muss.

Aber wenn die Stadt, wo man wohnt, voll gentrifiziert wird, und man aus seiner Wohnung gedrängt wird, dann hat man als Kleinunternehmer Probleme.
Für viele große Wohnungsanbieter existiert man gar nicht, alle Wohngenossenschaften sind voll bis dorthinaus, und die wenigen preisgünstigen Wohnungen von Privatvermietern werden von Wohnungssuchenden überrannt.

Investoren steigen primär dort ein, wo viel Teuerungspotenzial ist, wie in Berlin und Potsdam, und nicht, wo es eh schon sauteuer ist: Wohnungen in München sind inzwischen bis zu 7x so teuer wie in Gelsenkirchen.

Als ich nach über 16 Jahren im einst schönen Potsdam im Herbst 2016 plötzlich eine neue Wohnung brauchte, habe ich 2 Monate wie ein Berserker gesucht, besichtigt und mich vergeblich 20x beworben. Um die alte habe ich nicht gekämpft, auch wenn die Rechtsprechung mieterfreundlich ist, weil ich wegen schlechter Heizbarkeit („Energieausweis nicht erforderlich“) mittelfristig eh ausziehen wollte.
So bin ich binnen 11 Monaten 3x umgezogen. Dabei wurde ich vom Untervermieter erst zum Clandestino-Untermieter (12 Wochen bei Bekannten), dann zum vertraglichen Untermieter (8 Monate im überfüllten Berlin-Wedding im 4. Stock unter Fluglärm und Elektrosmog) und Ende Oktober dann zum Mieter von 1,5 Zimmern in einer Eigenheim-WG im Norden von Kassel (leichte Hanglage, recht ruhig).

Denn in Berlin schwanden meine Hoffnungen auf Gemeinschaftswohnen in brauchbarer Wohnlage bald. „Wohntische“, das sind Gruppen von Gemeinschaftswohn-Willigen, sind eingeschlafen, weil es für sie keine Häuser oder pachtbaren Baugrund gibt.
Auch die relevante Berliner Veranstaltung „Wohnexperiment-Börse“ war 2017 nicht mehr ergiebig. Akteure, die früher städtischen Wohnraum entprivatisierten, verlagern sich immer weiter aufs Land („Wohnen ist dort billig, wo es an allem fehlt“), während innerstädtisch Betongeschwüre und Styroporschachteln für krankmachende Massenmenschenhaltung wuchern, oft hart an Autobahnen oder S-Bahn-Trassen.

In einen Film von 2012, wo die Gentrifizierung in den angesagten Stadtteilen Berlins losging, konnten verdrängte Anwohner noch in andere Stadtteile ausweichen.
Nun ist die Gentrifizierung zum Flächenbrand geworden.
Der Stadtteil Wedding, einst ein eigener Bezirk, hat sich auch schon verteuert. Er gleicht noch einer Insel moderater Mieten, an der das Meer der Gentrifizierung ähnlich nagt wie die steigenden Fluten an den Malediven.

Die Zeiten, wo Berlin und Potsdam billig Raum für vielerlei künstlerische und ökologische Kreativität boten, sind vorbei. Kreativität zeigt sich heute mehr darin, zugezogenen Neureichen ihren Hintern hinterher zu tragen. Traurig, von einigen sinnvollen Angeboten für diese Zielgruppe abgesehen.

Also habe ich vor der sich anbahnenden Mietpreis-Supernova in der Hauptstadtregion das Weite gesucht und mich, aus aus familiären Gründen, in der Documenta-Stadt umgesehen. Die ist noch nicht so teuer und stressig, aber leicht war die Suche auch nicht. Viele laute Straßen hier und Industriegebiete, und seit etwa 3 Jahren auch Wohnungsmangel und rege Bautätigkeit guter oder schlechter Art. Aber nicht so eine Betongold-Heuschreckenwolke.

Bei meiner letzten Passage in Potsdam erwiesen sich dort, wo ich so lange wohnte, 3 der 6 Wohnungen im Vorderhaus binnen eines Jahres neu vermietet (mich mitgezählt). Zuvor hatte sich das Gleiche im weniger schönen Hinterhaus abgespielt.
Vorbei die Zeiten, als man im Haus noch viele nette Nachbarn kannte.

Hoffen wir das Beste für 2018!
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Re: 2017, eine Wohn-Odyssee: als Kleinunternehmer gentrifiziert

Beitrag#2von ruebezahl » 11. Feb 2018 13:06

8 Wochen später:
nach einem statistisch extrem grauen Dezember und Januar werden die Tage wieder länger.
Im diesem schnee- und sonnenarmen verspäteten Winter erwarte ich den Frühling. Nur mit gutem Timing habe ich einen Langlauf-Wandertag in 300-500m hohem Umland genießen können.
Indessen konnte ich hier schon Gemeinschaftswohn-Interessierte kennenlernen, für langfristige Perspektive. Sie sind Teil des örtlichen Transition-Town-Netzwerks http://ttkassel.de/wp/ (für zukunftsfähige Lebensweisen, immer zu empfehlen) und treffen sich monatlich zu einem „Wohn-Café“.
Denn anders als in Berlin gibt es hier noch Baugrund, von der Stadt und von privat, und auch in nicht verlärmten Lagen. Ländliche Objekte gibt es natürlich auch.

Nicht jeder will kostensparend genossenschaftlich bauen. Manche möchten auch Wohnraum vererben können.
Und auch hier bevorzugen es viele, Einzelschließfächer (Appartments) plus Gemeinschaftsräume und -gärten zu bauen. Ein Haus kann aber auch sowohl diese als auch WG-Wohnungen enthalten.
Wer noch keine WG-Erfahrung hat, tut sich im Alter offenbar schwer damit. Weshalb auch Wohnraumnutzung als „Wohnen für Hilfe“ (Studenten bei Senioren) leider wenig angeboten wird.
Dabei würde eine WG 50plus oder ein Mehrgenerationen-Haus eine Symbiose ermöglichen. Wenn denn die Kommunikation stimmt und sich keiner zu lange in Bad oder Küche zu breit macht. Und wenn Mensch mit etwas Disziplin nicht nur die Bude sauber hält (ja, das individuelle „Schmutztoleranz-Niveau“), sondern auch gegen den Hang angeht, Zeug anzusammeln, das wertvollen Platz belegt.

Zugabe:
Internationale Immobilien-Spekulanten sehen in Deutschland immer noch Luft nach oben. Bei den ausländischen Investoren machen USA, GB und Kanada nun fast die Hälfte aus. Im Januar traf ich auf diese TOP 10 der großen Städte:
1. Berlin
2. Frankfurt („Mainhattan“)
3. Kopenhagen
4. München (da geht immer noch was)
5. Madrid
6. Hamburg
7. Dublin
8. Stockholm
9. Luxemburg
10. Amsterdam (nix zu kriegen dort, sagen Bekannte)

Vor etwa 3 Jahren zog es kreative Großstädter nach Leipzig - das nun längst überquillt. Chemnitz, Magdeburg oder Halle werden anziehend. Hier stieß ich auf http://hallesche-stoerung.de (eventuell lange Ladezeit): Hochwassergefahr, und die Gentrifizierung ist jetzt auch schon da!

Wie viele lebenswerte kleinere Städte, die keine „Speckgürtel“ sind, bieten noch kreativen Raum?
Bis denn,
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